HENFENFELD (mg) – Zwei Monate wollte James Young ursprünglich in Deutschland bleiben. Ein Stipendium und die Coronapandemie machten daraus schließlich zwei Jahre – bis jetzt. Denn während sein Heimatland dem jungen Sänger große Steine den Weg legt, um wieder nach Hause zu kommen, ist der Australier froh um die unfreiwillige Verlängerung – und will vorerst hier bleiben. Das liege auch an der Ausbildung an der Opernakademie auf Schloss Henfenfeld.
Angefangen hat alles mit einem zweimonatigen Deutschkurs in Berlin, erzählt James Young. „Ich wollte schon immer Deutsch lernen, denn Deutschland ist das Land für Oper und klassische Musik“, sagt der 27-jährige Australier. In einer Heimat sei es schwieriger, als Profisänger Fuß zu fassen – und sich auf nur ein Genre zu spezialisieren, quasi unmöglich. „Man muss von Jazz bis Musical alles singen.“ Deshalb verdiente er sich erst als Lehrer für Englisch und Politik sein Geld und nahm privat Gesangsunterricht. Denn Opernsänger zu werden sei schon in Jugendjahren sein Traum gewesen. 2018 gab er seinen Pädagogenjob schließlich auf, um sich ganz der Musik zu widmen, und verließ irgendwann seine Heimat.
Während seines Deutschkurses in Berlin ergatterte er ein vier-monatiges Stipendium über den „New Generation Service Exchange“ (Austausch für neue Generationen) des Internationalen Rotary Clubs. Dabei wohnen die Studenten meist bei Rotariern auf der ganzen Welt. Und so lernte er auch Deutschland immer mehr zu schätzen. „Die Leute sind sehr freundlich und großzügig“, lächelt er dankbar.
Von den ersten Schreckensmeldungen über Corona hörte Young, als er gerade bei einem Rotarier in Herzogenaurach wohnte. Der jedoch war zu diesem Zeitpunkt auf Reisen in Nepal. „Ich saß alleine in der Wohnung und wusste nicht, was ich jetzt machen soll“, erzählt der Australier. „Das war wirklich ein komisches Gefühl.“ Er telefonierte mit seinen Eltern, die ihm nahelegten, nach Hause zu kommen. Doch Young entschied sich zu bleiben. Warum, wisse er nicht genau – „es war einfach ein Bauchgefühl“, sagt er.
Dass ihn dieses nicht getäuscht hatte, merkte er, als er kurz dar-auf Denette Whitter über Facebook kennenlernte. „Ich habe schon mit vielen Pianisten gearbeitet, aber sie ist eine der Besten“, lobt Young. Es folgten Meisterkurse an der Opernakademie, gemeinsame Aufnahmen und Auftritte. Und auch den kulturellen „Winterschlaf“ durch Corona bezeichnet Young als Glück, denn dadurch habe er sehr viel lernen können und große Fortschritte gemacht – gesanglich wie auch sprachlich. „Wir unterhalten uns viel auf Deutsch“, ergänzt Denette Whitter, selbst Englisch-Muttersprachlerin. Seit vergangenem November wohnt der junge Australier in einer der Wohnungen, die zum Henfenfelder Schloss gehören.
Der Gedanke an die Heimat blieb trotzdem – ein Ticket für den Rückflug sei schon gebucht gewesen. Doch mittlerweile habe Australien die Regeln derart verschärft, dass es selbst Einheimischen kaum möglich sei, ein- oder auszureisen. Personen, die ins Land wollen, müssen zwei Wochen in ein Hotel in Quarantäne. Für die Kosten – Vollverpflegung, Zimmerservice etc., laut Young umgerechnet rund 2000 Euro – müsse der Reisende selbst aufkommen. „Außerdem gibt es derzeit kaum Flüge nach Australien“, sagt der Sänger. Für Einheimische, die gerade in einem Hochrisikogebiet wie Indien sind, sei die Rückreise sogar komplett verboten.
Der größte Wermutstropfen sei für Young dabei das Getrenntsein von Familie und Freunden: Seit zwei Jahren hat er sie nicht mehr gesehen. Auch sie bräuchten zurzeit einen „wichtigen Grund“, um das Land verlassen und ihn besuchen zu dürfen.
Denn der 27-Jährige möchte länger in Deutschland bleiben, übt fleißig für Vorsingen bei Hochschulen, die hoffentlich bald auch wieder live möglich sein werden. Bis dahin nimmt er weiter Unterricht bei Denette Whitter, gibt Englisch-Nachhilfe, hat bereits an einigen internationalen Online-, Wettbewerben teilgenommen und bei einem sogar den zweiten Platz ergattert.
„Singendes Telegramm“
Außerdem plant der junge Australier gemeinsam mit der Opernakademie ein Projekt, das er bereits vergangenes Jahr in Bayreuth anbot: die „Singenden Telegramme“. Das sind kleine Ständchen aus unterschiedlichen Genres, für die man Young buchen kann. Er singt diese dann dem Beschenkten coronakonform vor der Haustüre und auf Abstand exklusiv vor. „In Bayreuth wollten die Leute hauptsächlich Wagner hören – wegen der ausgefallenen Festspiele. Das Singen vor der Haustüre älterer Leute, die monatelang kaum jemanden getroffen hatten, war wahnsinnig emotional“, erzählt er. Mehr Infos soll es demnächst auf der Internetseite der Opernakademie geben, verrät Whitter.
Und auch für Young sei es einfach schön gewesen, mal wieder vor – wenn auch kleinem – Publikum zu singen. Vor kurzem durften die beiden auch wieder im Sigmund Faber-Heim auftreten, freut sich Whitter. Mit Livekonzerten in der Opernakademie plane sie aber erst ab Juli – unter freiem Himmel, weil es sich im Inneren mit Abstand nicht rechnen würde. Auch eine neue Kunstausstellung im Schloss wartet bereits darauf, eröffnet zu werden – vielleicht Ende Juni, sagt Whitter.
Marina Gundel
Foto: M. Gundel