Henfenfeld

IG Bau und EVG Maikundgebung: „Gewerkschaften leben Demokratie“

HENFENFELD – Zur Maikundgebung hatte die IG Bau traditionell nach Henfenfeld in die Awo-Begegnungsstätte eingeladen. Gewerkschaftssekretärin Kathrin Winkler musste dabei auch den Part von Sebastian Henn von der EVG übernehmen, da dieser krankheitsbedingt ausfiel.

Schon seit 16 Jahren findet die Maikundgebung in der Begegnungsstätte der AWO in Henfenfeld statt. Kathrin Winkler von der IG Bau begrüßte dazu neben einer stattlichen Teilnehmerzahl besonders Bürgermeister Markus Gleißenberg.

In seinem Grußwort stellte der Bürgermeister fest, dass Gewerkschaften zum jetzigen Zeitpunkt wichtiger denn je seien. Sie seien „ein Garant, damit man gut und anständig leben könne“. Anschließend bezeichnete er es als „Irrsinn“, wie es derzeit in der Baubranche zugehe. Es fehle nicht nur an Material sondern auch an Handwerkern, denn daran besteht kaum noch Interesse seitens der Jugend. Gleißenberg monierte, dass alle Regierungen, seit vielen Jahren nur das Abitur favorisieren würden. Im Handwerk könne man gutes Geld verdienen, stellte er fest, doch dafür brauche man qualifizierte Facharbeiter.

Gleißenberg prangerte auch die derzeitigen Energiepreise an. Wer wenig Geld zur Verfügung habe, leide besonders darunter. Nach seiner Meinung hätte die Energiewende mehr Übergangsfristen gebraucht, auch sei es keinesfalls förderlich, Holz als Brennstoff in Frage zu stellen.

Die Gewerkschaftssekretärin Kathrin Winkler übermittelte Grüße vom erkrankten Sebastian Henn. In ihrer Rede war auch der Fachkräftemangel Thema. Sie sah Ursachen darin, dass die Reallöhne ständig sinken würden, derzeit um mehr als vier Prozent. Zudem sei heutzutage jeder siebte Jugendliche nach der Schule noch ohne Ausbildungsplatz. Damit fehle auch langfristig ein Berufsabschluss. Aber auch die Älteren haben schlechte Karten, stellte Winkler fest, denn im Altersbereich der 50- bis 64-jährigen gebe es nur 13 Prozent Neueinstellungen.

Rund 300000 Pflegekräfte würden gerne wieder in ihrem Beruf arbeiten, wenn sich die Bedingungen verbessern würden. Winkler bezeichnete es als illusorisch, Pflegekräfte aus dem Ausland zu holen, die für miese Bedingungen arbeiten sollen. Ihr Apell an die Arbeitgeber: Rauf mit den Löhnen, gute Tarifverträge abschließen und gute Arbeitsbedingungen schaffen, dann klappe es mit den Fachkräften.

Probleme sah Winkler auch bei Migranten, deren Ausbildung nicht anerkannt werde und die letztlich an den ganzen Hürden und Verfahren scheitern. Sie wies auch darauf hin, dass im letzten Jahr 230000 junge Menschen keine Ausbildung gemacht haben, ihnen müsse eine Perspektive gegeben werden. Sie forderte vehement eine Ausbildungsgarantie, wer sich daran nicht beteiligen wolle solle sich an den Kosten beteiligen. Es könne nicht sein, dass die Baubranche selbst in Corona-Jahren ein fettes Plus gemacht habe und gigantische Gewinne eingefahren habe. Dazu nannte sie die immens gestiegenen Preise im Wohnungsbau. 400000 Sozialwohnungen sollten pro Jahr entstehen, doch davon wurde in Zeiten der „Ampelkoalition“ fast nichts realisiert. Für die Rüstungsindustrie sei ein Sondervermögen von einer Milliarde Euro geschaffen worden, andererseits sei für die Belange der ärmeren Bevölkerung kein Geld da.

Viele Baustellen gebe es, die der Wohnungsnot entgegen kommen könnten, stellte sie fest.

Danach widmete sich Winkler dem diesjährigen Slogan „Ungebrochen solidarisch“, denn „die Gewerkschaften leben Demokratie“. Dabei sprach sie auch die derzeitige Inflationsrate an, nannte es einen Dominoeffekt, wenn alles teurer wird. Dieser treffe nun auch die Mittelschicht, denn die Preissteigerungen sind eine enorme Herausforderung. Derzeit sinken die Reallöhne, aktuell sind es vier Prozent, damit verliere man nicht nur Kaufkraft, sondern auch Wohlstand.

Wer kein Geld zum Ausgeben hat, sorge für einen Abschwung in der Wirtschaft. Deshalb müsse auch der Mindestlohn deutlich steigen.

Winkler berichtete von den Tarifforderungen der EVG, zu der 50 Unternehmen im Verkehrsbereich angehören. Hier stehen Forderungen von zwölf Prozent an Lohn und Gehalt bei den oberen Lohngruppen im Raum aber mindestens 650 Euro pro Monat für alle Bediensteten. Sie verwies auf den letzten Tarifabschluss, bei dem es 2021 ein eher dürftiges Plus von 1,5 Prozent gab.

Auch das Streikrecht war Thema, das die Arbeitgeber am liebsten abschaffen möchten. Dazu stellte sie fest, dass ein Streikrecht „kollektives Betteln“ verhindern würde. Wer das Streikrecht anfasse, gefährde den sozialen Frieden.

Auch mit der Tarifbindung befasste sie sich. Dazu nannte sie Zahlen: In Bayern werden für rund 52 Prozent der Beschäftigten keine Tarifverhandlungen geführt. Würden alle Arbeitnehmer nach Tarif bezahlt würde die Kaufkraft um fünf Milliarden steigen, hätte dies Auswirkungen in Form von Einnahmen auf die Sozialkassen, auf die Kommunen und auch das Land Bayern. Winkler prangerte auch die Ausschreibungspraktik an, bei denen an den „Billigsten“ vergeben werde, was letztlich der mit den niedrigsten Löhnen und schlechtesten Arbeitsbedingungen sei. Hier forderte sie eine „verantwortungsvolle Vergabe“.

Zum Schluss sprach sie auch den gescheiterten Standort für das ICE-Werk im Raum Nürnberg an. 450 tarifgebundene Arbeitsplätze hätten hier entstehen können. Doch haben hier alle Parteien versagt. Auch Markus Söder schloss sie damit ein, der dieses Vorhaben nicht unterstützt habe.

Johann Dechant

Auf dem Bild: Bürgermeister Markus Gleißenberg und die Gewerkschaftssekretärin Kathrin Winkler

Foto: J. Dechant

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